Samstag, 9. Januar 2010

Kennen Sie die Geschichte des Herrn Wilhelm Würmli?

Vor langer Zeit da war eine Bauernrepublik. Das Speissbürgertum schaute auf die Bauern wie Wilhelm Würmli herab. Die Landwirte wiederum waren unter der Fuchtel des Landadels und der Kirche, und obwohl sie jedem misstrauten, wurden sie gleichwohl von jedem irgendwie missbraucht und getäuscht.
Dank seiner politischen Stabilität zog das Land seit je Flüchtlinge an, und Wilhelm war skeptisch ob der Neuankömmlinge, die anders sprachen, assen und neue Dinge lehrten. Napoleon kam und änderte vieles, doch er ging bald wieder. Einige seiner Dinge blieben aber, und haben später zu Veränderungen geführt. Die Eisenbahn zog ins Land, und das Volk, misstrauisch wie immer, fürchtete den schwarzen Rauch, wie es auch Pockenimpfungen fürchtete, und Blitzableiter. Doch Wilhelm lernte, wie diese Sachen funktionieren, und dass sie ihm halfen, und akzeptierte sie schliesslich. Die Migranten brachten auch Schokolade, und das Volk liebte dies gar so, dass es mittlerweile wohl Weltmeister im Schokoladeverzehr ist. Und die Migranten halfen, den schwarzen Rauch bei der Eisenbahn wegzumachen, und sie schneller zu machen. Es kamen Banken auf, es zogen Flugzeuge ins Land, Computer und sogar Partikelbeschleuniger.
Es kamen auch neue Bauten auf und Herr Würmli, wie seine übrigen Landsleute war skeptisch. Nach langem Beraten wurden die ägyptischen Hotels dann gebaut, mitten in den Alpen nahe an einem mythischen Pass. Die neu geplanten Türme jedoch, ohne Glocken, waren dem Volk des Teufels. Wilhelm erinnerte sich an die Geschichte des Turmbaus zu Babel, und dass dieser im Chaos endete. So wurden die Türme verboten; man hatte Angst und man verstand sie nicht. Man vestand die Banken auch nicht, die scheinbar toxische Dinge mischten, und verbot auch sie. Die jüngeren Migranten, mittlerweile sesshaft geworden, zogen als nun Einhemische weg in ferne Ländereien, da sie sich nicht mehr verstanden fühlten. Nur die alten Migranten, die über mehrere Generationen kamen, blieben, da sie mittlerweile dachten wie Familie Würmli. Und diese neue Medizin, die mit dem Erbgut arbeitet, wurde auch gleich verboten; man solle ja nicht Gott spielen und Gottes Strafe in Form von Krankheiten ausweichen, so wie damals beim Blitzableiter, dachte Wilhelm.
Doch etwas war anders als früher. Wilhelm und seine Landsleute wussten nicht mehr, wie sie für sich selbst sorgen konnten, ohne all die neuen Sachen. So wurde jeder wieder Bauer, aber ohne das fremde Saatgut oder anderen fremden Firlefanz. Einige waren (wieder) gleicher als andere, belehrten jene und trichterten ihnen Sitten ein. Willi und seine Kollegen waren misstrauisch, wie immer, aber gehorchten den Tonangebenden, die vesprachen das Land zu beschützen und die die Bauern wieder wie damals täuschten. Und Türme gab es nur mehr aus Stein und nur mit Glocken. Und das Land wurde wieder eine arme Bauernrepublik.



Inspiriert durch das Buch “Der modernen Schweiz entgegen: Heinrich Zschokke prägt den Aargau” von Werner Ort (2003, Baden: Verlag hier+jetzt).

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